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Halbbart

Autor

Charles Lewinsky

 

Von „Finöggel“ zum Geschichtenerzähler

 

Die Geschichte beginnt im Jahr 1313 in einem kleinen Dorf in der Talschaft Schwyz.

Die Hauptfigur ist Eusebius, oder besser Sebi, wie er der Einfachheit halber gerufen wird. Sebi befindet sich auf seinen Weg des Erwachsenwerdens. Sein Alltag ist geprägt vom Überlebenskampf in unwirtlicher Natur. Seine Kindheit verbringt er mit seinen beiden älteren Brüdern und seiner Mutter die ein Stück Land bestellen. Doch eingeengt zwischen Feldarbeit und Schweinehüten, wofür er überhaupt nicht geschaffen ist, bleibt ihm nicht viel sich die Zukunft auszumalen. Er hört lieber Geschichten und denkt sich welche aus. 

Eines Tages kommt ein Fremder in die Gemeinde, dem er zuerst skeptisch begegnet.

 

„Wie der Halbbart zu uns gekommen ist, weiß keiner zu sagen, von einem Tag auf den anderen war er einfach da.“

 

Der Fremde wird Halbbart genannt, weil sein Gesicht durch Brandnarben entstellt ist. Doch das ist ein Geheimnis, niemand kennt die Ursache für seine Brandnarben. 

Sebi freundet sich mit ihm an und erfährt von ihm mehr von der Welt, über das Leben und von Menschen. Er erhält tiefgründige Ratschläge und Lektionen und taucht in eine zweite Welt außerhalb seines Dorfes ein. Sebi hört dem Halbbart gerne zu. Er erfährt von Fürsten, Klöstern Religion, Macht des Aberglaubens und der Gefährlichkeit von Gerüchten. Und er lernt ein Spiel der Strategie: Schach.

Halbbart hat nicht nur Lebenserfahrung, sondern kennt sich auch in der Medizin sehr gut aus. Doch auch sein Sinnen auf Rache macht er sehr deutlich.

So wird Halbbart aufgrund seiner Heilkünste gerufen, nachdem Sebis ältester Bruder Geni einen furchtbaren Unfall hatte. Die „örtlichen Mediziner“ aber versagten bei der Behandlung.

 

„Als Nächstes wollte er sich unbedingt beim Halbbart bedanken; wenn der nicht den Rat mit dem Abschneiden gegeben hätte, meinte er, hätte man für ihn schon lange das De profundis gesagt.“

 

Sebi sieht sich selbst lange als „Finöggel“ (zarter, feinfühliger Mensch, Mimöschen), als einer, der weder für die Feldarbeit, noch für das Soldatenleben oder Totengraben sich eignet. Doch er wächst über sich hinaus und findet letztendlich zu sich selbst und zu dem, was er sein Leben lang geliebt hat, dem Geschichtenerzählen. Er wird von einem „Finöggel“ zu einem Geschichtenerzähler.

 

Sprache und Stil

Die Geschichte wird aus Sebis Perspektive erzählt. Sebi selbst erzählt die Geschichte von Halbbart. Er erzählt genau das, was er weiß in einer leichten Sprache ähnlich eines Kindes, und trotzdem sind seine Gedanken teilweise sehr tiefgründig. Dazu werden viel Ausdrücke aus dem schwyzer Idiom hinzugefügt und auch die integrierten zeitlichen Besonderheiten verleihen der Geschichte höchste Authentizität. Man fühlt sich direkt ins Mittelalter versetzt. Das unmittelbare Erlebte wird nicht aus Sicht der „Mehrbesseren“ erzählt, sondern aus der Sicht „Kleiner Leute“, über Arme. Der Leser erlebt die Macht der Kirche und Klöster, die den Aberglauben der Menschen fest im Griff haben. Die Angst vor dem Teufel ist immer präsent. Auch Engel finden ihren Raum. Bildung konnte nur jemand erreichen, wenn er sich als Mönch verdingte oder das Glück hatte, adelig zu sein.

Die Charaktere Halbbart und Sebi sind hervorragend beschrieben. Aber auch die Randfiguren wie Sebi‘s Brüder Geni und Poli, die wie Tag und Nacht sind, der Stoffel Schmied und seine Tochter Kätterli, gutgesinnte Menschen, die Sebi's Leben prägen, und einige mehr werden eindringlich beschrieben.

Der Roman hat 688 Seiten ist in 83 kurze Kapitel aufgeteilt. Das Cover zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild „Die Kindheit“ von Ferdinand Hodler.

 

Der Diogenes Verlag bietet ein online Glossar an für die unterhaltsamen Helvetismen.

 

Fazit

ein schönes Buch, in einer wunderbaren Sprache erzählt. 

Ein Roman der uns das wahre Gesicht der damaligen Zeit um 1313 und der Gegend um die Talschaft Schwyz zeigt. Eine harte Zeit, voller Entbehrungen, Hunger, Gewalt, Krieg. Sebi und Halbbart lassen uns in diese Zeit eintauchen.

 

Absolute Leseempfehlung!

 

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