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Reise nach Laredo

Leere eines einst ruhmreichen Lebens 

 

Im Jahr 1558 hat Karl V., der einst mächtige Kaiser und König, seinen Thron aufgegeben und lebt nun zurückgezogen in einem abgelegenen Kloster in Spanien. Er ist des Lebens müde, leidet unter vielen Krankheiten und fühlt sich von der Monotonie seines jetzigen Daseins erdrückt. Er ringt mit der Sinnlosigkeit seines früher glorreichen Lebens. Karl begegnet dem elfjährigen Jungen Geronimo, der jedoch nicht weiß, dass Karl sein Vater ist. Gemeinsam brechen sie zu einer Reise nach Laredo auf – Karl auf einem Maulesel und der Junge auf einem Pferd. Unterwegs stürzen sie sich in wilde Abenteuer und treffen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Weggefährten. Doch nicht alle Begegnungen sind positiv, und auch schmerzhafte Abschiede bleiben ihnen nicht erspart.

 

Arno Geiger nimmt in seinem Roman einen ungewöhnlichen Fokus ein. Er konzentriert sich auf die Zeit nach der Abdankung von Kaiser Karl V., ein Zeitraum, der historisch oft weniger beleuchtet wird. Geiger stellt nicht die Macht und Herrschaft des Kaisers in den Mittelpunkt, sondern seine letzten Jahre als "Kaiser außer Dienst“. Er schildert facettenreich die inneren Ansichten und Gedanken des abgedankten Kaisers. Dies erlaubt den Leser*innen, einen tiefen Einblick in die Psyche und die emotionalen Zustände eines einst mächtigen Herrschers zu bekommen, der sich nun mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinandersetzen muss. 

 

„…, er zieht das Laudanum allem anderen vor, das Laudanum ist großartig, nichts gibt es, was diese großartige Droge ersetzen kann, sie beseitigt den Schmerz und leuchtet die zurückbleibende Leere von innen.“

 

Der 11-jährige Junge Geronimo spielt eine zentrale Rolle, indem er das Leben des alten Kaisers wiederbelebt. Durch Geronimo entdeckt Karl Freundschaft, Liebe und eine Erneuerung, die ihm hilft, Antworten auf die Frage zu finden, was am Ende des Lebens wirklich zählt. Geronimo wird zu einem Symbol für neue Hoffnung und Lebenskraft.

 

"Schönheit ist selten wahr und Wahrheit selten schön."

 

Geiger fesselt die Leser*innen mit seiner Liebe zum Detail und seiner Fähigkeit, historische Figuren lebendig und vielschichtig darzustellen. Seine bekannte und geschätzte Erzählweise lässt diese Figuren menschlich und nachvollziehbar wirken. Der Roman ist nicht nur eine historische Erzählung, sondern beschäftigt sich auch mit großen Fragen des Lebens: Was bleibt von einem Menschen, wenn er alles verloren hat, was ihn einst ausgemacht hat? Welche Bedeutung findet man im Leben kurz vor dem Ende? 

 

„Die Nacht ist lang, das Leben kurz.“ 

 

Fazit

Der emotionale Kern des Romans zeigt, dass auch ein mächtiger Herrscher am Ende seines Lebens zu den grundlegendsten menschlichen Emotionen und Erfahrungen zurückkehrt. Die Begegnung mit Geronimo lässt den alten Kaiser über Freundschaft, Liebe und den Sinn des Lebens nachdenken, was dem Roman eine universelle und zeitlose Qualität verleiht. Diese Elemente heben Geigers Werk von anderen historischen Romanen ab und bieten den Leser*innen eine berührende Geschichte sowie tiefgründige philosophische Reflexionen.

 

"Das Linkslieglassen der Welt ist eine anspruchsvolle Sache."

 

 

 

 

 

Arno Geiger

Reise nach Laredo

Carl Hanser Verlag

erschienen: 19.08.2024

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