Christine de Pizan wird 1365 in Venedig geboren. Sie ist die Tochter von Tomaso di Pizzano, Astronom und Mediziner. 1368 wird er an den französischen Königshof gerufen. In diesem Umfeld wächst Christine auf und erhält eine ausgezeichnete Ausbildung, was für diese Zeit unüblich ist für ein Mädchen. Ihr Vater fördert ihre Neigung zur Literatur und verschaff ihr Zugang zu einer Vielzahl von literarischen und intellektuellen Werken.
Im Alter von 15 Jahren wird sie mit dem zehn Jahre älteren königlichen Sekretär Etienne du Castel verheiratet. Im Alter von 25 Jahren sterben ihr Vater und ihr Ehemann an der Pest. Sie steht mit drei Kindern mittellos da. Obwohl finanzielle Nöte sie sehr belasten, verweigert sie eine Wiederverheiratung und geht auch nicht ein Kloster, was zur damaligen Zeit der übliche Weg in solchen Situationen für eine Frau ist.
Stattdessen bringt sie den Mut auf, gegen die Schuldner ihres Mannes zu prozessieren. Sie wird Oberhaupt ihrer Familie und versorgt nicht nur ihre Kinder, sondern zwei jüngere Brüder und ihre Mutter.
Zunächst kopiert sie fremde Texte und beginnt um 1394 selbst zu schreiben. Es entstehen ein Gedichtzyklus der Hundert Balladen für Königin Isabeau de Bavière – Otheas Brief an Hector, Der Sendbrief vom Liebesgott – Streit um den Rosenroman – Das Buch vom Frieden und vieles mehr. (S. 324 f.)
Mit ihrem Das Buch des Friedens zeigt sie politisches Engagement, insbesondere im Zusammenhang des Hundertjährigen Krieges.
1404/5 verfasst sie ihr bekanntestes Werk Das Buch von der Stadt der Frauen (Le Livre de la Cité des Dames).
Inhalt
Christine sitzt in ihrer Studierstube und klagt über frauenfeindliche Äußerungen des Matheolus, der Lügengewäsch über Frauen verbreitet.
„Und zwar nicht nur einer oder zwei oder nur jener literarisch völlig unbedeutende Mathelous, der Lügengewäsch verbreitetet, nein: Überall in allen möglichen, Abhandlungen, scheinen Philosophen, Dichter, alle Redner (ihre Auflistung würde zu viel Raum beanspruchen) wie aus einem einzigen Munde zu sprechen und alle zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, dass nämlich Frauen in ihrem Verhalten und ihrer Lebensweise zu allen möglichen Formen des Lasters neigen.“ (S. 10)
Während Christine sich ihren Gedanken und Überlegungen, die über die Stellung der Frauen hingibt, nach Rechtfertigung für ein positives Bild der Frauen sucht, erscheinen ihr drei allegorische Frauen. Diese repräsentieren stellvertretend Tugenden Vernunft, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit. Sie sprechen Christine Mut zu, an ein positives Bild der Frau zu glauben.
Bereits viele Frauen haben in der Vergangenheit und Gegenwart außerordentliche Leistungen in den verschiedensten Bereichen gezeigt, wie auch mit moralisch hochstehende Lebensführung den Beweis erbracht.
Sie appellieren an ihren Verstand, sie soll nun mit Bau der Stadt beginnen.
„Darum werde wieder du selbst, bediene dich deines Versandes, und kümmere dich nicht weiter um solche Torheiten! Denn eines musst du wissen: Alle Bosheit, die allerorts über die Frauen verbreitet werden, fallen letzen Endes auf die Verleumder und nicht auf die Frauen zurück.“ (S. 14)
Der Grundstein für die Stadt ist gelegt. Christine kommt der Aufforderung nach, hinaus aufs Feld der Literatur zu gehen, um eine virtuelle Stadt zu errichten.
„Dir schöne Tochter, wird auf diese Weise vor allen anderen Frauen das Vorrecht zuteil, die Stadt der Frauen zu errichten, und wie aus klaren Brunnen wirst du uns drei Frauen frisches Wasser, um den Grundstein zu dieser Stadt zu legen und sie zu vollenden.“ (S. 18)
Jede der Frauen ist bereit, ihr reichlich Baustoff zu liefern.
Die Allegorie Frau Vernunft will ihr zunächst bei der Errichtung der Stadtmauern und der Umfriedung behilflich sein. Frau Rechtschaffenheit hält ein funkelndes Lot in Händen und verspricht, dass die „die Berechnungen für den Bau der Stadt anzustellen“ für die menschliche Orientierung von Rechts und Links. Die Frau der Gerechtigkeit verhilft zum Einzug der heiligen Frauen wie Jungfrau Maria und weiblicher Heiliger, deren Martyrium erzählt wird.
„Auf diese Weise will ich, mit deiner Hilfe, die Erbauung deiner Stadt zu einem Abschluss bringen, sie mit Befestigungen und starken Toren himmlischen Ursprungs versehen und ganz zum Schluss werde ich dir die Schlüssel aushändigen.“ (S. 22)
Sprache und Stil
Das Buch von der Stadt der Frauen ist in drei Bücher gegliedert, die eingebettet in einer Rahmenhandlung sind. Christine sieht sich als Repräsentantin aller Frauen, die in ihrer Gesamtheit nichts Positives zu bieten haben sollen. In der Eingangsszene von Das Buch von Stadt der Frauen klagt Christine, sie sei deprimiert und mutlos, weil sie sich nicht klar darüber sei, wohin ihre Überlegungen, den Weg aus dieser trostlosen Lage, den Frauen zu helfen, führt.
Mit dem Erscheinen der drei allegorischen Damen in der Studierstube Christines setzt die zweite Erzählebene ein, die drei Teile umfasst.
Im ersten Teil des Buches verdeutlichen die drei Damen, dass Frauen den Männern gleichgestellt sind. Sie seien in der Lage, politisch zu denken und zu handeln, können wissenschaftlich und handwerklich Leistungen erbringen sowie auch literarisch arbeiten.
Im nachfolgenden zweiten Teil werden die sittlichen Tugenden hervorgehoben, die gleichbedeutend den Männern entsprechen.
Der abschließende dritte Teil enthält die Fähigkeit der Frauen zur Opfer- und Dienstbereitschaft in der Liebe, zu Gott und den Heiligen.
Das Bild einer mittelalterlichen Stadt entsteht. Im ersten Teil wird eine Grundstruktur geschaffen mit einer massiven Stadtmauer. Dann folgt im zweiten Teil die Erstellung von Gebäuden, Tore und Türme. Im Zentrum steht eine Kirche.
Der dritte Teil beendet den Aufbau der utopischen Stadt mit Inbesitznahme von Heiligen, die von der Jungfrau Maria angeführt werden.
Christine lässt den Aufbau der imaginären Stadt durch ein Gerüst mit ihren Fragen und Beantwortung und Aussagen der allegorischen Frauen in einem spannenden Dialog entstehen. Der Dialog ist ihr Baumaterial.
Die Stadt ist fertiggestellt. Christine hat neues positives Selbstverständnis gefunden und die Damen können sich zufrieden zurückziehen.
Die Rahmenhandlung schließt sich. Christine ist mit ihrer Arbeit zufrieden und fordert alle Frauen der Welt auf, sich ihrer Werte und Tugenden bewusst zu werden, damit sie die Stadt als Ziel erreichen können. Sie zeigt, daß die Edelmänner und Intellektuellen ihrer Zeit sich nicht mehr ritterlich benehmen, sondern die Frauen verleumden und unterdrücken wollen.
„»Meine edlen, hochverehrten Frauen, gepriesen sei Gott, denn nunmehr ist die Errichtung unserer Stadt vollendet und abgeschlossen. Ihr Frauen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die Ihr Tugend, Ehre und Unbescholtenheit liebt, findet hier eine Bleibe, denn unsere Stadt wurde für alle ehrsamen Frauen gegründet und errichtet. « […]“ (S. 293)
Das Buch von der Stadt der Frauen wird mit einem Inhaltsverzeichnis übersichtlich gestaltet. Die Anmerkungen zum Text, eine Zeittafel, eine Erläuterung von Margarete Zimmermann, Auswahlbibliografie, Namenregister, Zur Herausgeberin und Übersetzerin und editorische Notiz sind sehr hilfreich für das Verständnis des Textes.
Fazit
Christines Bild vom Bau einer imaginären Stadt vermittelt ein noch heute aktuelles Thema. Sie entwickelt und vermittelt ein positives Frauenbild, das in der Gegenwart und Zukunft Bestand haben soll. Die imaginäre Stadt bekommt mit ihrer mittelalterlichen Darstellung einen Raum von Stärke und Sicherheit. Der Fremdbestimmung soll der Selbstbestimmung weichen und Christine wird zur Anwältin der Frauen.
Brauchen wir das nicht auch in der heutigen Zeit ?
„Es handelt sich bei ihrer Frauenstadt um den Entwurf eines idealen Raums, zugleich eines Zufluchts- und Trostraums, bewohnt von einer femininen Elite.“ (S. 355)
Christine de Pizan
Das Buch von der Stadt der Frauen
Herausgegeben und übersetzt von Margarete
Zimmermann
AVIVA Verlag, 2023
Arbeit zitieren
Autorin Petra Gleibs, Juli 2023, Buchvorstellung Christine de Pizan, Das Buch von der Stadt der Frauen, https://www.lesenueberall.com/das-buch-von-der-stadt-der-frauen/
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