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Die Beichte einer Nacht

Autorin

Marianne Philips

 

Marianne Philips, geboren 1886 in Amsterdam, war Politikerin, Schriftstellerin und Mutter von drei Kindern. Für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei wurde sie 1919 als eine der ersten Frauen zum Ratsmitglied der Niederlande gewählt. Sie schrieb fünf Romane und einige Novellen. Ab 1940 war ihr das Publizieren als Jüdin untersagt. Sie überlebte den Krieg, war aber krankheitshalber bis zu ihrem Lebensende (1951) ans Bett gefesselt.

Quelle: Diogenes Verlag AG Zürich

 

 

 

 

 

  

„Ich möchte gerne mit einem anderen Menschen reden, selber höre ich ja meine 

Stimme und meine Worte, aber heute kann ich es nicht ertragen, dass sie 

ungehört zu mir zurückkommen (...).“

 

Inhalt

Die Ich-Erzählerin Heleen weilt zur Untersuchung in einer Nervenheilanstalt im Jahr 1930. Sie kann nicht schlafen, weil die anderen sie im Gemeinschaftssaal zu stark stören. Sie geht zur Nachtschwester, obwohl dies nicht erlaubt ist. Sie beginnt zu erzählen, so als ob ein Damm gebrochen ist. Die Worte enden nicht und die Nachtschwester hört stumm zu. Heleen schildert ihre entbehrungsreiche Kindheit als ältestes von zehn Kindern, das früh schon mit anpacken musste. Stumm hört die Nachtschwester zu und erfährt von dem gehässigen Vater. Heleen berichtet von ihrer Kindheit in einer armen Familie, dem Wunsch nach Unabhängigkeit und finanziellem Auskommen. Es gelingt er der Sprung in die Stadt und Bekanntschaft mit reichen Herren, die sie anbeten und gerne ihr Geld für sie ausgeben. Sie heiratet doch die Ehe scheitert und sie muss den finanziellen Ruin hinnehmen. Und dann erzählt sie von ihrer großen Liebe Hannes, die aber nicht für die Ewigkeit bestimmt war.

 

Sprache und Stil

 

„Seltsam ist das, es gibt Augenblicke, in denen hat man tatsächlich die Wahl. Damals vor dem Bahnhof erkannte ich

glasklar, dass ich die Wahl hatte: unser Städtchen und ein bisschen Mühsal, aber

auch Ruhe – oder Groenmans und das Unbekannte.“

 

 

Zunächst erscheint die Geschichte wie ein Traum, eine Entwicklung vom hässlichen Entlein zum Schwan. Einem Mädchen bietet sich eine Chance, die sie konsequent ergreift an sich arbeitet und mit ihrer Bescheidenheit und Höflichkeit es schafft, dass sich Türen für sie öffnen.

Sie entwickelt sich zu einer begehrten Dame, die Luxus schätzt und liebt. In ihrer Geschichte beschönigt sie nichts, bekennt sich zu Fehlern und Unzugänglichkeiten und stürzt wissentlich in ein Chaos. 

 

Sie fühlt sich von Gott verlassen und gibt Gott die Schuld.

 

„Seltsam, und das kann mich noch immer nicht schrecken – Gott selber hat mich

zu einer Gottlosen gemacht, er hat mich fragen

lassen und keine Antwort gegeben.“

 

Der Roman wird aus der Ich-Perspektive erzählt und ist als ein großer Monolog verfasst. Durch den Monolog kann der Leser sich hervorragend in die Protagonistin Heleen hineinversetzen.

 

Die Autorin schreibt bildhaft und sensibel, ohne überschwängliche Emotionen. Der Spannungsbogen wird geschickt gespannt, der durch kritische Selbstanalyse der eigenen Erfahrungen von Marianne Philipps Authentizität verliehen bekommt.

 

Die Charaktere werden sehr gut beschrieben und dargestellt. 

 

Besonders hilfreich ist das Nachwort, dass noch ergänzende Fakten zur Autorin Marianne Philips enthält.

 

Eckpunkte zum Roman 

Die Autorin Marianne Philips lebte von 1886 bis 1951.

Judith Belinfante, Enkelin von Marianne Philips, schreibt im Anhang, dass Marianne Philips selbst unter Psychosen gelitten und Zeiten in einer Nervenklinik verbracht hatte. So erhält der Roman einige biografische Elemente. Die Beschreibung der Zustände in psychiatrischen Anstalten, die Armut der Menschen, die krank waren oder viele Kinder hatten, entspricht genau den Tatsachen.

Der Roman wurde 1930 veröffentlicht, was sehr erstaunlich war, denn zu dieser Zeit gab es in Romanen noch keine schriftlichen Beschreibungen über psychische Probleme. Marianne Philips erwies Mut, über dieses Thema zu schreiben, insbesondere da sie eine Frau war.

 

Fazit

 

„Niemand hat Schuld an meinem Leben, nur ich selber. Es waren weder die

Umstände noch die anderen Leute, da mache ich mir nichts mehr vor.“

 

Der Roman ist ein vergessener Klassiker. Er erschien bereits vor 90 Jahren auf Niederländisch. Doch es scheint, dass der Roman seiner Zeit voraus war. 

Marianne Philips verstand das Schreiben als Therapie. So wie die Protagonisten Heleen musste Marianne Philips sich ihren Weg aus ärmlichen Verhältnissen hart erarbeiten.

Es ist ein ungewöhnliches Buch, ein intensives Buch mit Gefühlen, geschrieben von Marianne Philips, einer ungewöhnlichen Frau. Sie lässt intensive Gefühle spüren und die Traurigkeit wird sichtbar.

 

Ein Buch, das ich gerne empfehle.

 

 

Covermotiv: Gemälde von Emilian Lăzărescu,  ›Cochetărie (Coquetry)‹, 1925

 

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