Autorin
Christine Wunnike
Inhalt
„Gharapuri lag in der Mitte zwischen zwei Schrecken, Arabien und Jaipur. Völlig sinnlos lag es im Meer. So drückte der Meister das aus. Malik hätte es lieber anders gesagt, ›unsichtbar‹ oder ›bescheiden‹. Gott der Allsehende, falls er jemals etwas verpasste, verpasste vielleicht Gharapuri.“ (S.115)
Im Jahr 1764 führt das Schicksal zwei Männer auf der Insel Insel Elephanta beziehungsweise Gharapuri zusammen.
Die Aufzeichnungen des deutschen Mathematikers und Forschungsreisenden Carsten Niebuhr bilden die Grundlage des Romans.
Carsten Niebuhr, ein junger vielversprechender Wissenschaftler, reist mit einer sechsköpfigen Forschungsgruppe, im Auftrage des dänischen Königs und des Göttinger Theologen und Orientalisten Johann David Michaelis, nach Ostindien. Die jungen Forscher sollen für den Göttinger Orientalisten Beweise für die Richtigkeit der Bibel finden. Er soll nicht nur Landschafts-, und Naturbeschreibungen liefern, sondern auch das Leben, Sitten und Gebräuche der Menschen erforschen.
„Es handelt sich nicht nur um Mücken. Es handelt sich nicht nur um Naturalien. Es sind nicht nur Steine, Tiere, Pflanzen, Wetter, Gezeiten und Geographie, die wir in Arabien erforschen müssen, sondern zuvörderst das Menschenleben. Worauf sonst ist die Bibel errichtet? […]. »“ (S. 26)
Cartsen Niebuhr verliert auf dieser Reise seine Begleiter. Einer nach dem anderen der insgesamt sechsköpfigen Expedition erliegt den verschiedensten Seuchen und schließlich erkrankt er selbst am Sumpffieber. Das Fieber tötet ihn nicht, obwohl er oft an der Schwelle des Todes zu sein scheint und in diesen Zuständen auch nicht mehr oder kaum noch seine Umwelt wahrnimmt. In einer solchen Situation strandet er auf der einsamen indischen Insel und trifft dort auf den Gelehrten Musa.
Der Astrolabienbauer Musa al-Lahuri kommt aus Jaipur, wollte eigentlich nach Mekka. Doch eine Flaute unterbricht seine Reise und er muss eine Pause auf Gharapuri einlegen. Auf dieser, von wenigen Menschen und vielen Affen bewohnten Insel, stößt Musa auf den vom Fieber gezeichneten Niebuhr.
Langsam näheren sich beide an und ihre Begeisterung für Sternenbilder, für Mathematik, für das Messen und Rechnen und ihr Entdeckergeist verbindet sie zu geistig ebenbürtigen Partnern. Sie warten auf Rettung und begeben sich gemeinsam auf Erkundung der jeweils anderen Kultur.
Musas Wissen übertrifft weit das aller ursprünglichen europäischen Expeditionsmitglieder zusammengenommen. Nicht, weil er deutlich älter ist, sondern weil ihm europäische Schriften offenstanden. Er kennt Kopernikus Werke ebenso wie die Schriften Gallileos.
Carsten Niebuhr weiß so gut wie nichts über arabische, persische oder indische Wissenschaft oder Tradition.
“Wir glotzen alle in denselben Himmel und sehen verschiedene Bilder! […] Wir glotzen nach oben und erfinden große Gestalten und hängen sie in den Himmel. Ich eine Frau und du eine Hand und was weiß ich, was andere sehen. Und dann gibt es Streit. Es ist zum Erbarmen!“ (S.124)
Über die Vermessung und Astronomie werden die Unterschiede der beiden Astronomen klar: so begrenzt Niebuhr den Blick auf das Sternbild Kassiopeia auf einige wenige ihm bekannte Sterne, doch der Blick des Astronomen aus dem Orient geht viel weiter - für ihn ist Kassiopeia nur ein Teil eines größeren Bildes, nämlich der "Dame mit der bemalten Hand".
Sprache und Stil
Der Roman brilliert mit Humor, hintergründigem, aufklärerischem Witz und auch Situationskomik. Die Geschichte wird anschaulich, turbulent und komisch geschrieben, trotzdem lässt sich über vieles nachdenken.
Kulturelle Missverständnisse zwischen Niebuhr und Musa sorgen immer wieder für groteske Situationen. Auch die Beziehung zwischen Musa und seinem jungen Diener, den er zwar ständig als Tölpel bezeichnet, doch gleichzeitig eine väterliche Besorgnis über die Eskapaden des jungen Mannes zeigt, sorgen immer wieder für humorvolle Situationen.
Fazit
Zwei Menschen unterschiedlicher Kulturen warten auf Rettung. Sie unterhalten sich nicht nur über Sternbilder. Unzählige Geschichten aus jeder Kultur beinhaltet das Firmament. Für einige ist es Kassiopeia und für andere der Auszug einer bemalten Hand aus einem größeren Sternbild.
Christine Wunnicke relativiert und hinterfragt in ihrem Roman auf unterhaltsame und provozierende Weise unseren Blick auf die Welt. Fremde Kulturen verstehen ist nicht einfach.
Lesenswert 5/5
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