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Scherbentanz

Autor

Chris Kraus

 

 

„Wenn Du am Boden bist, bist Du auf dem Weg nach oben",

von William Bourroughs

 

So lautet das Motto dieses Romans.

 

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um tiefe Schatten der Vergangenheit. Wir tauchen ein in Familiengeheimnisse, über die niemals gesprochen wird und die dadurch auch die Gegenwart belasten. Chris Kraus zeigt uns einen Rückblick auf traumatische Kindheitserfahrungen und gibt uns eine Vorstellung von Themen wie Krankheit, Hass, Lügen, Eifersucht und Neid, Intrigen und verletzten Gefühlen, die einzig durch Alkohol, Tabletten oder sonstige Verdrängungsmittel, von denen reichlich im Hause Solm vorhanden ist, zu ertragen sind.  

 

Inhalt

Jesko ist jung. Jesko ist schlagfertig. Jesko ist widerborstig. Jesko ist erfolglos. Jesko ist ein Außenseiter. Jesko hat Leukämie und wird bald sterben.

 

„Tod ist Nichtsein. Was damit gemeint ist, weiß ich schon lange.“ (S. 7)

 

Jesko trägt nur Röcke, er ist Modedesigner, der seine Kleidung selbst näht und gerne Röcke trägt und das krasse Gegenteil seines älteren Bruders Ansgar ist. Sein Bruder ist als Juniorchef in die väterliche Zementfabrik eingestiegen. Er ist ein erfolgloser Modemacher, der Provokateur in der Familie. 

Jesko wird in die Familienvilla gerufen in der Hoffnung, dass seine leibliche Mutter dem kranken Jesko eine lebensverlängernde Knochenmarkspende geben kann. Eine Frau, die Jesko und sein Bruder Ansgar seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen haben. Nun liegen sieben lange Tage bis zum operativen Eingriff vor Jesko, und seine Krankheit ist das bei Weitem geringste Problem.

Seine Mutter, eine verrückte Frau, die immer kurz vor der Einweisung oder vor der Entmündigung. Vor vielen Jahren, als er und sein Bruder noch Kinder waren, hat diese Frau ihm etwas Schreckliches angetan. Das ist der Grund, warum Jesko sich weigert, die Spende seiner Mutter anzunehmen, obwohl er kurz vor dem Tod steht. Er will die Rettung von ihr nicht und weigert sich, mit seiner Mutter zu sprechen. Sein Vater hat Erinnerungen aus dem Krieg, die ihn nicht loslassen. Sein Bruder, der perfekte Sohn seines Vaters, verbirgt seine geheimnisvollen Abgründe.

 

„Seit Jahren leben wir in dieser geflügelten Bitterkeit, die im Rhythmus der Zugvögel verlässlich entkommt, in südlichen Gestaden überwinternd, und wenn sie fast vergessen ist, verdüstert sich der Himmel, sie kehrt zurück und baut sich in unseren Herzen Nester.“ (S. 59)

 

Schreibstil

Das Besondere des Romans ist die Sprache des Autors, der seine Figuren auf einmalige Art auswählt, um auf einem schmalen Grat zwischen sarkastisch, absurd und auch realistisch seine Geschichte zusammensetzt.  

Jesko berichtet als Icherzähler über die Ereignisse. Kraus' Sprache ist plastisch und bilderstark, die Dialoge sitzen perfekt. Chris Kraus zeigt, dass er mehr kann als gut unterhalten. Sein Erzählstil lässt Emotion zwischen lachen und weinen aufkommen. 

Rückblenden eigener Erinnerungen lassen Fragen beantworten, aber auch diffus offenstehen.

 

Fazit

Das Sprichwort „Scherben bringen Glück“ wird oft zitiert, wenn ein Gefäß zerbrochen ist. Tanzen kann eine Therapieform sein, eine Form sozialer Interaktion oder schlicht ein Gefühlsausdruck. Und Scherben und Tanz zusammen?

Chris Kraus hat nachdenklich gemacht mit seiner Geschichte um verpasste Chancen, um verfehlte Hoffnungen und Lebensniederlagen. Er erzählt sie realistisch und absurd, so wie das Leben heute manchmal ist.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ellen (Freitag, 29 Januar 2021 14:18)

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